Die Neun Welten: Die Dreifache Dreiheit
Eine Dreiteilung der Wirklichkeit findet sich bei schamanischen Kulturen weltweit in vielen verschiedenen Ausformungen. In einigen dieser Weltbilder spielt eine kosmische Schlange oder ein kosmischer Drache eine gewichtige Rolle. Diese Dreiteilung findet sich auch in der nordischen Mythologie, die uns überliefert ist. Leider sind die Namen nur noch aus dem nordischen Kulturbereich bekannt. Wie sie im Süden bei Kelten und Venetern genannt wurden, ist verloren gegangen. Dadurch, daß das Schamanentum fast ausgelöscht wurde und ein Vakuum entstanden ist, hat es das heutige, wiederauflebende Schamanentum in Europa denkbar schwer, sich selbst klar zu strukturieren. Einerseits ist es nicht notwendig solche Strukturen zu besitzen, denn sie machen unflexibel und bergen in sich die Gefahr des Dogmatismus und des engstirnigen Fanatismus, der dem Schamanentum nicht gut zu Gesichte steht. Andererseits sorgt dieses Vakuum mit seinem Sog dafür, daß es dem Anfänger oder dem Interessierten schwer, wenn nicht unmöglich gemacht wird, sich im "Supermarkt der Spiritualität" zu orientieren, oder wenigstens Verifikation zu erfahren, da von überallher Alternativmodelle und Kosmogonien oder Paradigmen angezogen werden.
Wer anfängt, mit Runen umzugehen, oder sich für runischen Schamanismus oder Runenmagie interessiert, wird früher oder später auch mit der Kosmologie unserer Ahnen konfrontiert werden, und sei es auch nur aus rein akademischen Gründen. An dieser Stelle möchte ich daher einen Überblick der Neun Welten geben, und welche schamanischen oder mythologischen Aspekte in ihnen erfahren werden können. Jede dieser Neun Welten kann mit der schamanischen Reisetechnik besucht werden. Das alleine subjektiviert bereits das von mir geschilderte Material und ich möchte daran erinnern, daß diese schamanischen Welten individuell verschieden wahrgenommen werden.
Die neun Himmel oberhalb Asgards
Im Gylfaginning wird von neun weiteren Himmeln berichtet, die sich oberhalb von Asgard befinden. Es sind dies:
Vindlblain: Dunkelwind und Hregg-Mimir, Sturm-Mimir,
Andlang,
Vidblain: Dunkelweite,
Vidfedmir: Weitenumspanner,
Hriod: Zudecker,
Hlyrnir: Zwillingslicht oder Zwielicht,
Gimir: feurig,
Vet-Mimir: Winter-Mimir,
Skatyrnir.
Die folgenden neun Welten dürften ihnen etwas bekannter sein.
Asgard - die erste der drei oberen Welten. Asgard liegt auf einer Insel im Fluße Hvergelmir, der in Niflheim unter einer der drei Wurzeln der Yggdrasil entspringt, und Urstrom von elf großen Flüssen ist. Eigentlich ist Hvergelmir ein gigantischer Maelstrom, aber in der späteren Bildersprache wurde ein Fluß daraus. Die erste Wurzel Yggdrasils liegt in Asgard verankert, unter ihr entspringt die Quelle des Schicksals, der Urdbrunnen. Die Urdquelle wird von den drei Nornen Urd, Verdandi und Skuld bewacht, die zusammen nur ein Auge haben. Asgard wird durch starke Mauern geschützt, die vor den Urkräften schützen und vor den glühenden Flammen des Flusses und ist die Heimat der Æsir. In Asgard ist eine weitere Wurzel der Yggdrasil versenkt. Nur durch ein einziges Tor kann Asgard betreten werden. In der Mitte Asgards ist der Valaskjaff, der Thingplatz der Götter. Die Festhalle der gefallenen Krieger, der Einherjer, Valhalla und die große Ebene Vigrid, auf der die Einherjer täglich kämpfen und auf der Ragnarök stattfinden wird. Es gibt zwei Regionen, die sich in Asgard und Midgardh erstrecken: Gladsheim und Vingolf. Die Wohnorte der Götter und Göttinnen. Die Regenbogenbrücke Bifrost verbindet Midgard mit Asgard. Die Brücke besteht aus Luft und Wasser, an den Rändern wird sie von Feuer geschützt. In Asgard ist sie statisch verankert am Ort Himminbjorg (Wächter des Himmels), Heimdalls Turm. In Midgard verändert Bifrost ihre Position ständig. Es Bedarf der Hilfe einer Valkyre oder großer Stärke des Willens, Bifrost zu beschreiten.
Vanaheim - die zweite der drei oberen Welten. Vanaheim ist die Heimat der Vanir (oder Asynjor), der Fruchtbarkeitsgötter. Vanaheim ist der Ort des Wassers, der Schamanen (der Seiðman und die Siðkona), des Friedens, der Heilung, der Ernte, des Reichtums und des Todes. Vanaheim liegt im Westen.
Alfheim (Ljosalfheim) - die dritte der drei oberen Welten. Die Welt des Lichtes, der Fruchtbarkeit und der Luft. Aus Alfheim fließt die Energie der Götter zu Midgard hinab.
Midgardh - die erste der drei mittleren Welten. Mittelerde liegt genau in der Mitte aller Welten, von dort aus können alle anderen acht Welten erreicht werden. Ein gigantischer Ozean umfängt Mittelerde, und in diesem Ozean lebt Iormungand, die Weltenschlange, die sich selbst in den Schwanz beißt (sie ist eine Tochter Lokis). Ähnlich wie Leviathan in der hebräischen Mythologie, ist der Meeresdrache weiblich.
Jotunheim - die zweite der drei mittleren Welten. Die große Festung der Riesen wird Utgard (Außenwelt) genannt. Sie ist in den Bergen östlich von Midgardh oder auf der anderen Seite des Ozeans, der Mittelerde begrenzt. In Jotunheim leben die Thursen, Etins und Riesen. Sie sind Nachkommen Ymirs und repräsentieren die Kräfte des Urchaos - d.h. zugleich Weisheit und Vernichtung. Die Eisriesen und die Felsriesen versuchen ständig, die Strukturen der Welt zu zerstören. Unter der zweiten Wurzel der Yggdrasil, die in Jotunheim verankert ist, entspringt die Quelle Mimirs, deren Wasser Ursprung tiefer Weisheiten ist. Wotan selbst opferte sein Auge, um von ihm zu trinken. Der Kopf Mimirs bewacht diesen Ort.
Nidavellir - die dritte der drei mittleren Welten. Die finstere Heimat, die im Norden liegt. Dort leben die Schwarzelfen und Schwarz-Zwerge, die in Höhlen und anderen Abgründen hausen. Sie besitzen die Weisheit und Magie der Gestaltung und der Manifestation von Gedanken. Genauso wie die Lichtelfen fertigen sie Schmuck und magische Waffen.
Svartalfheim - die erste der drei unteren Welten. Es ist nicht ganz sicher, wo Svartalfheim genau liegt. Es liegt unterhalb von Nidavellir, und damit eigentlich in Midgard. Die Geheimnisse der tiefen Erde und der ursprüngliche Kälte liegen hier verborgen. Die mystischen Schmiedewerkstätten und Schatzhöhlen finden sich in Svartalfheim.
Niflheim - die zweite der drei unteren Welten. Die Welt der Toten. Ein karger Ort der Kälte. Von Midgard aus ist es ein Neuntagesritt bis zur "heulenden Brücke" Gjallarbru, die über den Grenzfluß Gjoll führt. Modgud bewacht diese Brücke. Es gibt einen Zusammenhang mit Muspellheim, das von dem Feuerriesen Surt bewacht wird. Niflheim und Muspellheim sind Ur-Frost und Ur-Funke, die durch den gähnenden Abgrund Ginnungagap voneinander getrennt sind. Die dritte Wurzel Yggdrasils liegt in Niflheim verankert. Unter ihr liegt der gigantische Maelstrom "Hvergelmir", der brodelnde Kessel. Aus Hvergelmir entspringen alle zwölf "kalten" Flüsse. Ich sehe Niflheim als einen Bereich von Hel, oder umgekehrt, an.
Hel - die dritte der drei unteren Welten. Hinter der heulenden Brücke liegt der Palast der Hel. Ich betrachte Hel und Niflheim als eine Welt, womit dann Muspellheim die neunte Welt wäre. Dies ist der Ort der Reinigung. Jeder, der stirbt, kommt zuerst nach Hel. Für einen individuellen Zeitraum - je nach Bedarf - verbleibt der Verstorbene in Hel, bevor er weiterwandert oder wieder inkarniert. Sogar die Valkyren müssen die erwählten Helden in Hel vorbeibringen, damit über sie geurteilt wird. Diejenigen, die von ihren Schutzgeistern verlassen worden sind (Diebe, Eidbrüchige und ähnliche Gauner), werden nach Niflheim geschickt um dort ihre Bestrafungen abzuholen. Es gibt noch einen schlimmeren Ort dort: Nastrand, wo die übelsten Verbrecher betreut werden. Nidhogg nagt an den Körpern der Verurteilten. Guten Appetit! Hel ist individuell sehr verschieden in der Wahrnehmung. Die Frau Holle ist die Göttin, die diese Region bewohnt. Schnee fällt, wenn sie ihre Betten ausschüttelt. Um Hel zu erreichen, muß der Fluß Gjoll überquert werden. Die breite und eisige Brücke (Gjallarbru) ermöglicht die Überquerung.
Yggdrasil - das "schreckliche Pferd", die Welteneibe. Yggdrasils Wurzeln liegen in Asgard, Jotunheim und Niflheim. Sie ist die Weltenachse, die alle neun Welten miteinander verbindet. An Hvergelmirs Quelle, der dritten Wurzel, nagen Schlangen und Nibbing, Hirsche und Ziegen nagen das Blattwerk ab. Ratatosk, das Eichhörnchen, überbringt andauernde Beleidigungen von Nidhöggr an den Adler, der in der Baumkrone lebt. Die drei Nornen Schicksal (Urd), Sein (Skuld) und Notwendigkeit (Verdandi) kümmmern sich um die Welteneibe. Odin hing neun Tage und Nächte vom Weltenbaum und erhielt die Kenntnis der Runen und seine schamanische Einweihung. Über das Bild der Welteneibe, den Adler und den Drachen, der an seinen Wurzeln nagt, finden Sie in der Angelologie noch weitere, sehr interessante Informationen.
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