Drachen - ein eigen-williger Streifzug
Meine ersten bewußten Kontakte mit Drachen kann ich bis Anfang der 80er Jahre zurückverfolgen, als ich erstmalig einen weißen chinesischen Drachen als Begleiter wahrgenommen habe. Der ist bis heute in meiner Nähe, niemals in schamanischen Reisen, sondern immer im Zwielicht der alltäglichen Wirklichkeit. Allerdings beschäftige ich mich erst seit 2003 wirklich intensiv mit Drachen. Mein Erwachen machte mir damals meine seelischen Ursprünge bewußt. Eine Erkenntnis, die mein Leben fundamental beeinflußt hat. Drachen sind beeindruckende Wesenheiten. Für mich stellt sich die Frage nicht, ob sie existieren oder nicht. Durch das zweite Gesicht, oder die schamanische Vision, können sie von mir wahrgenommen werden.
Ich halte nichts von der Theorie, Drachen wären eine Art Erberinnerung an die Dinosaurier oder vielleicht sogar letzte Überlebende dieser Riesenechsen gewesen, wie es gelegentlich zu lesen ist. Ihre Eigenschaften sind einfach mit normalen, naturwissenschaftlichen Maßstäben nicht zu erfassen - das ist allerdings typisch für Wesen der Mythologie, wie es auch z.B. das Einhorn, der Greif oder der Phönix sind.
Wenn ich die Informationen, die über Drachen verfügbar sind, betrachte, so stelle ich fest, daß es unmöglich ist, alle unter einen Hut zu bringen. Es gibt Drachen in den Mythen und den Visionen fast aller Kulturen auf der Welt. Da ist es auch nicht verwunderlich, daß die Bilder und die Bedeutungen der Drachen sehr weit voneinander abweichen können. Es ist daher nicht meine Absicht, etwas gänzlich Unmögliches zu versuchen, diese Bandbreite der Interpretationen in diesem Text hier zu vereinen. Es findet hier von mir auch keine tiefenpsychologische Erklärung ihren Niederschlag, dazu gibt es Berufenere. Ich möchte aus einem inneren Drang heraus meinen ganz persönlichen Zugang zu diesen mythischen Wesen niederlegen und eine kleine Auswahl an Bedeutungen anbieten. Dabei vermische ich absichtlich einzelne Fragmente aus verschiedenen Kulturen mit eigenen Elementen. Ausdrücklich betonen möchte ich, daß der tuvinische Bereich nicht mit eigenen Ansichten vemischt ist. Ich kannte Kyrgyss Chawandajewitsch, der 1993 als letzter dieses Ritual durchführte. Leider ging mit seinem Tode das Wissen um die richtigen Melodien (er kannte sieben) zur Rufung verloren. Nun, vielleicht gelingt es mir, meine 'kleine Idee' über Drachen zu vermitteln.
An dieser Stelle weise ich auf Jeremy Narbys Arbeit über die kosmische Schlange hin ("Die kosmische Schlange - Auf den Pfaden der Schamanen zu den Ürsprüngen modernen Wissens", Klett Cotta, Stuttgart 2001), in der er durch seine Ayahuascaerfahrungen einige sehr bedeutende Zusammenhänge entschlüsseln konnte, die durch Drachen weltweit symbolisiert werden, nämlich die mikrobiologischen Vorgänge der DNS-Reduplikation und viele mikrobiologische Details aus dem Zellkern, u.a. die einzelnen Phasen der Teilung. Narby stellte die mikroskopischen Vorgänge der Symbolsprache der Schamanen gegenüber und konnte so aufschlüsseln, was Schamanen weltweit (!) in ihrer Symbolsprache beschrieben haben. In den Formenkreis dieser Symbolsprache gehören neben den Drachen und den paarigen Schlangen auch die Himmelsleiter oder die Himmelliane (der indische Konterpart ist der alte Seiltrick, als Erinnerungsschimmer an diesen Zusammenhang). Er konnte modernste biochemische Erkenntnisse in den Symbolen der Mythen um Drachen erkennen. Leider sind die einzelnen Querbezüge sehr umfangreich und würden den Rahmen dieses Artikels sprengen - ich verweise daher auf sein Buch für denjenigen, den diese Materie tiefer interessiert.
Es gibt verschiedene Formen von Drachen. Generell teile ich sie in drei Kategorien: Drachen mit Flügeln, Drachen ohne Flügel, und Mischwesen (wie es Quetzalcoatl eigentlich ist: Ein Mischwesen aus Schlange und Adler). Sie bewegen sich in allen Elementen, und verkörpern auch Naturphänomene, wie Gewitter und Vulkane. Sie repräsentieren diese oft auch, in China ist jedem Fluß ein Drache zugeordnet, der darin wohnt. Der richtige Umgang mit dem jeweiligen Drachen verhinderte Fluten, der falsche ruft sie hervor. Es gibt Erddrachen, Himmelsdrachen, Wolkendrachen usw. usf. Der orientalische Drache besitzt manchmal Flügel, aber meistens wird er mit roten Fortsätzen dargestellt, die an Flügel erinnern. Während die europäischen Drachen ledrige Flügel besitzen, werden die asiatischen eher mit gefiederten Flügeln dargestellt. Die gefiederte Schlange Mittel- und Südamerikas ist ein Verwandter der asiatischen Drachen. Über das Blut der Drachen wird auch so einiges berichtet.
In der Siegfriedssage macht Drachenblut unverwundbar und läßt die Sprache der Vögel verstehen. Überhaupt, alles am Drachen kann irgendwie verwertet werden. Es gibt einige chinesische Abhandlungen, die Heilwirkungen und Wirkungen aller Körperteile eines Drachen genau umschreiben. Ziemlich makaber. Die Anatomie eines Drachen wurde soweit es eben möglich war, beschrieben. So war es von Bedeutung, wieviele Krallen pro Klaue ein Drachen besitzt. Fünf waren dem kaiserlichen Drachen vorbehalten; die chinesischen Fürsten fühlten sich als Nachkommen der Drachen und damit den Drachen sehr nahe. Sie kommunizierten mit den Drachen und der Drache war das Zeichen des Kaisers, wie der Phönix das Zeichen der Kaiserin war. Ähnliches finden wir auch in den europäischen Sagen, wobei dort eher die Seele der Könige als Schlange personifiziert wird. In der Artuslegende spielen Drachen eine gewisse Rolle, auch im Zusammenhang mit einem Herrscher. Klauenanzahl spielte in Europa jedoch keine Rolle.
Etwas ganz besonderes sind die Drachenaugen. Die Augen eines Drachen geben Einblick in die Grundstrukturen der Welt und besitzen eine unwiderstehliche Faszinationskraft. Für das Ego eines Menschen ist der Blick in die Augen eines Drachen nicht zu ertragen, daher muß der Mensch, der es dennoch versuchen will, zuerst den Tod des Egos überwinden, ein Hinweis der inneren Alchemie.
Im tuvinischen Schamanismus gibt es das Himmelsritual, das im Frühling auf Bergspitzen von Schamanen durchgeführt wird. In dem Ritual geht es um die Herstellung der Verbindung zwischen Himmel und Erde. Der Drache kann die Verbindungslinien zwischen dem (schwarzen) Himmel und der Erde beschreiten und arbeitet mit dem Schamanen zusammen. Das Ritual darf nur von alten, erfahrenen Schamanen ausgeführt werden: Schamanen, die das 61. und Schamaninnen, die das 49. Lebensjahr abgeschlossen haben, gelten als stark genug, dieses Ritual durchzuführen. Der Drache hat einen großen Schwanz und wenn er sich freut entstehen durch das Schwanzwedeln Planeten und Sterne. Ist er schlecht gelaunt schreit er laut und es donnert. Kommt es zu Störungen im Kommunikationsfluß zwischen Himmel und Erde, erschlägt der Drache mit Blitzen den Störenfried. Damit der Drache nicht zu laut brüllt, gab ihm der Geist des Himmels neun Kugeln in das Maul. Im Winter schläft der Drache bis er im Frühling wieder erwacht. Schlangen sind im tuvinischen Schamanismus sehr wichtige Hilfsgeister des Schamanen und sie werden dementsprechend auch auf dem Kopfschmuck und dem Schamanenkostüm dargestellt.
In der Geomantie begegnen mir des Öfteren Drachen. Sie erscheinen als sehr alte Erdgeister, die auch eng mit der Geographie des Landstriches in Verbindung stehen. Einige Benennungen wie Drachental, Drackenstein oder Drachenloch weisen möglicherweise auch auf altes geomantisches Wissen hin, das in unseren Breiten vorhanden war. Es gibt auch sehr viele Drachendarstellungen in unseren Städten, z.B. in Stuttgart oder in Basel (das Stadtwappen Basels gab der Stadt auch den Namen: Basilisk!). In Ljubljana begegnete mir ein grüner Drache. Der Legende zufolge ließen sich dort an der Quelle des Flußes die Argonauten häuslich nieder (sie haben sich verfahren). An der Quelle hauste ein Drache, der sich heute in Ljubljana großer Beliebtheit erfreut. In der Legende wird er zwar "getötet", ich hatte jedoch einen sehr vitalen Eindruck dieses Drachens. Die Bewohner Ljubljanas nennen sich manchmal auch gerne "kleine Drachen". Einer seiner Fußpunkte befindet sich auf dem Platz vor der Burg. Im 19. Jahrhundert wurde die Drachenbrücke erbaut, die vom zmaj bewacht wird.
Einen Erddrachen zu finden ist nicht einfach. Es gibt da keine Regeln oder Gesetzmäßigkeiten. An manchen Orten lassen sie sich finden, an anderen nicht. In meiner Wahrnehmung geben diese Drachen ein angenehmes, tiefes Summen als Äußerung des Wohlbefindens ab. In die Nähe eines verstimmten Erddrachens begebe ich mich nicht.
Erddrachen sind eher an Orten zu finden, die eine höhere Grundstrahlung besitzen (mehr als 8.000 Bovis) oder eine interessante geologische Formation zeigen. Dabei ist mir aufgefallen, daß diese Drachen selten zur Gänze 'gesehen' werden können - ein Teil ist immer endweder verdeckt oder unter der Erde, oder im Nebel. Es heißt in China (glaube ich), daß ein Mensch nie einen Drachen ganz sehen kann. Wenn ein Mensch einen Drachen ganz gesehen hat, dann haben sich Drache und Betrachter beide verändert. Der Begriff der 'Leylines' wird (jedenfalls in den geomantischen Kreisen, die ich kenne) auch gerne mit 'Drachenlinien' umschrieben - diejenigen Kraftlinien, die die Erdoberfläche durchziehen und (manchmal gut spürbar, wie auf den Externsteinen) sehr starke Energieströme der Erde sind. In meiner Sicht benutzen Drachen diese 'Adern' gerne, um sich fortzubewegen. Es könnte auch sein, das diese Drachenlinien eine Form der Energieversorgung der Erde darstellen. Der Kirchenheilige St. Georg - der Drachentöter - hat für mich mehrere Ebenen der Bedeutung. Mit diesem Drachen wird gerne das Böse symbolisiert (wohl in der kirchlichen Lesart). In meiner Familie väterlicherseits ist der Drache (oder St. Georg und der Drache) der Familienheilige. Nun, mit St. Georg konnte ich noch nie etwas anfangen, eher schon mit dem Drachen, der für mich eher die sehr starken tellurischen Kräfte und Energien darstellt (und auch diejenigen, die damit Umgang hatten und haben). Ich kenne ein Ritual mit dem ein Erddrache gerufen werden kann. In diesem Ritual wird ein Schwert in eine Drachenlinie an einen erhöhten Ort gesteckt. Diese Erdung der Energien führt mit der richtigen mentalen Formel dazu, das ein Erddrache seine Aufmerksamkeit auf den Ritualisten fokussiert. Solange das Schwert im Boden steckt, kann mit dem Drachen kommuniziert werden (er manifestiert sich materiell in Synchronizitäten und anderen ungewöhnlichen Erscheinungen). Jedenfalls wird da der Drache nicht getötet, aber gerufen.
Eine weitere Symbolebene dieses Bildes ist der Sieg des Christentums über die alten Kräfte und Mächte. Wobei in Untertönen die christliche Einstellung zum Instinkt, zur Körperlichkeit, im Bild des Drachentöters mitschwingt. Modern interpretiert ist der Drachentöter Georg der (vermeintliche) Sieg der Wissenschaft und Technik über die Natur.
Die Baumeister der Maya verstanden es außerordentlich gut, natürliche Phänomene, Perioden und Erkenntnisse in Bauwerke harmonisch zu komponieren. Ein architektonisches Meisterstück bezüglich der Drachen ist in Chichen Itzá der Tempel des Kukulcán (Maya für Quetzalcoatl, die gefiederte Schlange). Zu den Äquinoctien findet an der Nordseite der Tempelpyramide ein Lichtschauspiel statt, das den Eindruck erweckt, die gefiederte Schlange schlängele sich die Pyramide herab. Es erforderte genaue astronomische und architektonische Berechnungen, diesen Effekt zu erzeugen. Am Fuß der Treppe befinden sich zwei aus Stein geformte Köpfe der gefiederten Schlange. Zusammen mit den Lichteffekten bekommt man so den Eindruck, als ob die Schlange sich von der Spitze der Pyramide nach unten bewege. Die gefiederte Schlange stellt die Vereinigung des Adlers mit der Schlange dar. In der Anrufung Baphomets heißt es: "... gohu vovina-vabzir ... " - ... spricht der Drache-Adler - wo genau dasselbe ausgesprochen wird, allerdings in der Chaosmagie und während der Chaos Messe B. Das Aussehen der gefiederten Schlange der Tolteken und der Mayas erinnert sehr stark an das der chinesischen Drachen, wie an dem Bild eines der Köpfe deutlich erkennbar ist.
Der chinesische Drache ist ein Symbol für Glück und Weisheit. Eine der schönsten Beschreibungen dieser Drachen, die ich kenne, steht in der Unendlichen Geschichte von Michael Ende: "Glücksdrachen dagegen sind Geschöpfe der Luft und Wärme, Geschöpfe unbändiger Freude, und trotz ihrer gewaltigen Körpergröße so leicht wie eine Sommerwolke. Darum brauchen sie keine Flügel zum Fliegen. Sie schwimmen in den Lüften des Himmels wie Fische im Wasser. Von der Erde aus gesehen gleichen sie langsamen Blitzen. Das wunderbarste an ihnen ist ihr Gesang. Ihre Stimme klingt wie das goldene Dröhnen einer großen Glocke, und wenn sie leise sprechen, so ist es, als ob man diesen Glockenklang von fern hört. Wer je solchen Gesang vernehmen durfte, vergißt es sein Lebtag nicht mehr und erzählt noch seinen Enkelkindern davon." - Ende beschrieb eher den himmlischen Drachen.
I am the secret Serpent coiled about to spring: in my
coiling there is joy. If I lift up my head, I and my Nuit
are one. If I droop down mine head, and shoot forth
venom, then is rapture of the earth, and I and the earth
are one.
There is great danger in me; for who doth not understand
these runes shall make a great miss. He shall fall down
into the pit called Because, and there he shall
perish with the dogs of Reason.
(Liber AL II, 26f.)
In der indischen Symbolsprache wird das innere Feuer, das die Wirbelsäule emporsteigt, als Schlange gesehen. Diese Schlange liegt zusammengerollt etwas oberhalb des Sexualzentrums, in der Bauchhöhle. Wird diese Schlange erweckt, so streckt sie sich - entlang der Wirbelsäule - hinauf bis in den Kopfbereich. Während meiner ersten Kundalinierfahrung verwandelte sich mein Seelenkörper in den eines geflügelten Drachen, der in der Sonnenkorona tanzte. Der Kopf des Drachens senkt sich (in der Tao Yoga Variante dieser Krafterweckung) vorne wieder herab und beißt sich in den Schwanz. Und schon bin ich beim nächsten, sehr bekannten Bild: Der Ouroboros. Der Drache, der sich in den Schwanz beißt und sich selbst zeugt und ernährt. Wenn ich in die Seið-Trance gehe und schamanisiere, dann nehme ich fast automatisch die Gestalt eines Drachens an, der seine Flügel spannt und den Seelenflug durchführt. Eine sehr schöne und intensive Erfahrung für mich, die von starker innerer Hitze und Ekstase gekennzeichnet und begleitet ist. Die Seið-Trance ist in ihrer Induktion verschieden vom Kundaliniyoga, und erzeugt doch eine ähnliche Ekstase. Dieses 'innere' Erleben läßt sich schwer in Worte fassen. Der Künstler Den Beauvais malte den auf dieser Seite abgebildeten Drachen, der in etwa das Erlebnis vermittelt - wobei das Bild natürlich die Sicht des Künstlers darstellt.
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schuppen schillern
in allen farben feurig hell
gesang schwebt über träumen
unsre seelen vereinigend
höher immer höher fliegend
in wonnen der ekstasen
in höhen ungekannter freuden
hellstes lachen unsere schwingen
und alles feuer in uns.
(eigenes Gedicht, Ende 80er Jahre)
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