Der Seelenverlust - Die Seelenrückholung
Ein weiterer Formenkreis schamanischer Befunde, der Ihnen innerhalb der schamanischen Sitzung begegnet, ist der Seelenverlust. Jeder, der sich mit Schamanismus oder Magie beschäftigt, wird über dieses Thema in irgendeiner Form bereits gestolpert sein, wohl meistens aber nur im Zusammenhang mit Zombifikation - hier geht es ja auch um Seelenverlust. Im Grunde genommen setzen viele Techniken der Magie und des Schamanismus etwas voraus, das man unter dem Begriff Seele zusammenfassen kann. Häufig wird von der Seele oder dem Willen des Klienten oder des Opfers gesprochen. Ich mache es mir einfach und gehe davon aus, daß wir so etwas wie eine Seele besitzen. Es ist in vielen Denkrichtungen üblich, die Seele in mehrere Seelenteile zu unterteilen. Wieviele Seelenteile jeder nun wirklich besitzt ist unwesentlich. Einigen wir uns darauf, daß es einfach in jedem von uns eine bestimmte Menge davon gibt - von der Seele, meine ich.
Im Normalfall ist recht viel von der Seele in Ihnen drin - also etwa 100%. Jedoch gibt es eine ganze Menge Situationen, bei denen es dazu kommt, daß sich Teile der Seele einfach so abspalten und ins Zwielicht davonmachen, um sich zu schützen. Beispielsweise wären da schwere Unfälle, Operationen, Schockzustände, böse Hexer, Schrecken oder Verletzungen, Vergewaltigungen, psychischer Terror, Streß oder was sonst noch so eine Gänsehaut bei der bloßen Vorstellung hervorruft. In diesem Zusammenhang dazu muß erwähnt werden, daß manchmal auch die sogenannte Organseele verloren geht. Gerade bei schweren Operationen ist dies der Fall. Die Organseele können Sie sich beispielsweise als Tier des Organs vorstellen. Die Organseele ist nur auf das bestimmte Organ begrenzt, dessen Seele sie ist.
Gelegentlich kehren die angegriffenen Seelenteile nicht mehr zurück. Es treten dann, je nach Verlustschwere, Schwächegefühle, Schlaflosigkeit, Leeregefühl (daraus folgend oft Freßsucht, Trinksucht oder sonstwas-Sucht), emotionale Kälte, Depressionen, bis hin zu schweren Störungen wie Autismus, Katalepsie oder Koma auf. Einmal erkannt kann Seelenverlust durch den Schamanen wie folgt angegangen werden: Die Verbündeten führen ihn "einfach" zu dem verlorenen Seelenteil im Zwielicht. Er bringt diesen dann zurück, um den Seelenteil, auf eine ihm eigene Art und Weise, in den Seelenkörper des Klienten hineinzufabrizieren.
Ein Seelenteil sieht im Zwielicht meistens so aus, wie der Klient zu dem Zeitpunkt ausgesehen hat, als der Seelenverlust eintrat. Es kann auch ein Tier oder ein Gegenstand sein, der den Seelenteil symbolisiert. Gelegentlich hält sich der Seelenteil in derselben Umgebung auf, in der der Seelenverlust geschehen ist. Ist der erste Seelenteil erst einmal gefunden, kann es sein, daß noch weitere Seelenteile gefunden werden. Wenn man dann alle zurückgebracht hat, kann beim Klienten auch eine Art Dominosteineffekt eintreten und noch viele kleinere Teile kehren mit der Zeit zurück.
Ein Seelenteil kann an jenen Punkten des Körpers eingeblasen werden, die Tore der Seele genannt werden (Augen, Solarplex, Kronenchakra). Nach dem Einblasen des Seelenteils ist das Abschließen oder Versiegeln der Öffnungen unbedingt erforderlich. Der Klient sollte den Seelenteil willkommen heißen. Anschließend sollte er damit beginnen, ihn wieder zu integrieren, was in der Regel längere Zeit in Anspruch nimmt. Er soll sich an die Ereignisse zurückerinnern, sie sich vergegenwärtigen und dabei diese Erinnerungen als Teil von sich selbst, wieder in seine Persönlichkeit integrieren. Der Klient sollte nicht alleine sein, sondern jemand bei sich haben, der ihn dann auch nach Hause bringen kann.
Seelenarbeit kann sehr anstrengend und aufwühlend sein für den Klienten. Die Zeit nach der Seelenrückholung ist sehr wichtig. Klienten sollten dabei innerhalb einer Trommelgruppe sein, damit die nachfolgenden Schritte unter schamanischer Betreuung durchgeführt werden können. Der Klient sollte sich selbst beobachten. Was verändert sich in seinem Leben, welche Dinge gewinnen für ihn mehr an Wichtigkeit und was rückt in seine Aufmerksamkeit. Dem zurückgeholten Seelenteil müssen die jetzigen Lebensverhältnisse gezeigt werden. Eine gewisse Behutsamkeit ist gerade bei sehr jungen Seelenteilen angeraten. Nach ein paar Tagen sollte der Klient Kontakt mit dem Seelenteil innerhalb einer schamanischen Reise suchen. Vielleicht beruft er eine Versammlung auf dem Kraftplatz ein, vielleicht an einem anderen Ort. Krafttiere und andere Verbündete, nebst dem Seelenteil, sollten sich an dieser Versammlung einfinden. Dabei wird der zurückgebrachte Seelenteil freundlich darüber befragt, was er dem Klienten mitteilen möchte. Das können Informationen über dessen Verlust sein, oder was der Klient in seinem Leben verändern muß, damit der Seelenteil nicht sofort wieder das Weite sucht.
Dann läßt sich der Klient durch die Geister und den Seelenteil darin beraten, wie er den Seelenteil durch ein Ritual wieder integrieren kann. Dieses Ritual kann ganz auf der Ebene des Zwielichts sein, es kann auch ein Ritual sein, das der Klient in der alltäglichen Realität vollziehen muß. Innerhalb der Aufarbeitung des Seelenverlustes und der Reintegration des Seelenteiles kann auch eine Reise unternommen werden, um herauszufinden, welche Seelenteile an ihnen haften, die nicht von ihnen sind, sondern von jemand anderem. Die Seele ist der persönlichste Teil des Menschen. Es ist im Zusammenhang mit dieser Reise zu erfragen, wie diese Seelenteile zurückgegeben werden können.
Andersherum läuft die Angelegenheit, wenn man Seelenverlust provozieren will. Sympathiemagisches oder symbollogisches Einfangen der Seele in einen Gegenstand, eine Sigille oder ein Tier. Erinnern Sie sich an die Seelenflaschen im Voodoo? Schamanisch können Sie das auf eine interessante Art für sich nutzen: Ein Teil der eigenen Seele kann in einen Gegenstand gebunden werden, der dann als Stellvertreter an einer Versammlung oder einem Ritual teilnimmt, an dem Sie aus irgendeinem Grunde nicht selbst teilnehmen können. Photographien an sich sind keine Seelenteile, allerdings kann durch diese sehr gut auf weite Entfernung oder in die Vergangenheit (Ahnen!) gewirkt werden.
Die Technik der Seelenrückholung sollte unbedingt bei einem Schamanen erlernt werden, der diese Technik selbst sehr gut beherrscht. Niemals sollte die Seelenrückholung ohne genaue Instruktionen oder praktischen Unterricht praktiziert werden. Die Seelenrückholung entspricht in ihrer Wirksamkeit in etwa einer Amputation, nur umgekehrt. Innerhalb der schamanischen Sitzung, in der Seelenrückholungen durchgeführt werden, treten beim Klienten häufig extreme körperliche und psychische Reaktionen auf, die adäquate Reaktionen und ein durch lange Übung geschultes Fingerspitzengefühl sowie einen guten Kontakt zum Zwielicht erfordern.
Ein Weg zu trainieren ist folgende Partnerübung: Einer versteckt sich im Zwielicht, und der andere muß ihn finden. Da der Gesuchte es bewußt darauf anlegt, nicht gefunden zu werden, ist diese Übung allerdings etwas schwerer als der Ernstfall. Auch wenn der Sucher einen völlig anderen Seelenteil findet, hat er doch einen Teil seines Partners gefunden - eben nur nicht den Hauptteil, sondern einen kleineren Rumstreuner.
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