Über Divination
Entgegen der allgemein verbreiteten Ansicht, divinieren sei etwas ganz Einfaches, ist diese Technik mit Fallstricken behaftet und garantiert nicht leicht erlernbar - außer Sie sind natürlich ein Naturtalent - aber sind wir das nicht alle? Die meisten Kartenleger, Channelmedien oder dergleichen mehr, die im Internet und in diversen Gurkensendern ihr Unwesen treiben, beweisen allerdings vielmehr das genaue Gegenteil der allgemein angenommenen universalen Befähigung dazu. Zwar ist es mittlerweile nachgewiesen worden, daß der Körper eine präkognitive Reaktion zeigt, aber das hat noch nichts damit zu tun, komplexe Sachverhalte vorauszusehen. Am schlimmsten sind da die neumodischen Channelmedien, die scharenweise durch die Szene hoppsen und mit teils wirklich bedenklichem Schwachsinn Rattenfänger spielen. Da werden hilfesuchende Menschen schamlos über den Tisch gezogen, die vermeintlichen Medien scheinen sogar selbst von ihrer unfaßbaren Befähigung auszugehen, denn anders kann ich es mir fast nicht vorstellen. So bodenlos und peinlich, wie es dabei zugeht, grenzt es für mich an ein echtes Wunder, daß es kaum jemandem wirklich auffällt und brav Geld für das Schauspiel abgedrückt wird. Es laufen haufenweise "Medien" herum, die die anscheinend grenzenlose Leichtgläubigkeit der Menschen auszunutzen wissen. Mittlerweile dürfte es den wenigen echten Medien schon ein Greuel sein, als solche bezeichnet zu werden oder sich selbst als solche zu bezeichnen.
Dabei ist sie schon ein sehr populäres Gebiet der Magie und des Schamanentums, die Divination. Überwiegend sind Tarotkarten, Channelings und Horoskope das, was Ihnen dazu sofort einfallen wird: Sie können in jedem Laden gefunden werden, der auf der Esoterikwelle mitschwimmt. Etwas seltener, aber auch im Laden zu finden, sind Runensteine. Was mir jedoch dabei auffällt ist, daß nur wenige Menschen wirklich wissen (wollen), was eigentlich Divination ist, oder auch, wie sie richtig anzustellen, einzuordnen und in ihren Ergebnissen zu bewerten ist. Tarotkarten werden mit viel Brimborium ausgelegt und dann mit dem Handbuch gedeutet. Oft werden die Karten zu allerlei Alltagsfragen bemüht und langsam geht die Eigenverantwortung dahin. Wenn das Leben immer mehr vom Horoskop oder einem anderen Orakel bestimmt wird, dann hat der Mensch seine Eigenverantwortung letztlich abgegeben und ein Abhängigkeitsverhältnis stellt sich ein, das nur schwer wieder aufgegeben wird. Unglücklicherweise wird gerade damit viel Geld verdient.
Schamanen divinieren eigentlich immer, wenn sie in das Zwielicht gehen und dort den Rat der Geister und der Naturkräfte suchen und finden. Divination bedeutet nichts anderes als das Erhalten von Informationen über beliebige Ereignisse oder Sachverhalte der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft, die auf keinem anderen Wege erhalten werden können - jedenfalls ohne nennenswerten Aufwand. So ist es fast unmöglich, die Zukunft auf anderen Wegen als den divinatorischen zu erfahren. Gerade die Zukunftsprognose ist jedoch das, was den Menschen am meisten interessiert. Zu dem Thema der Zukunftsprognose gehören auch sämtliche Prophezeiungen der Medien und anderer Deuter. Wenn wir aber einen Blick auf die regelmäßig prophezeiten Weltuntergänge richten, dann fällt schnell auf, daß keine einzige dieser Prophezeiungen bisher eingetroffen ist: Ich hätte diese Zeilen nicht mehr verfassen können, weil die Welt schon mehrmals untergegangen wäre.
Es ist schwierig, die Divination auf einige wenige Techniken eingrenzen zu wollen. Beispielsweise sind das Rutengehen, das Tische- und Gläserrücken, das Pendeln, die Kristallkugelschau, Spiegelmagie usw. usf. divinatorischer Natur. Bei diesen Techniken wird ein Kontakt zu einem Geistwesen oder dem Hohen Selbst hergestellt und es erfordert zum Teil intensives Training, bis sinnvolle Resultate erreicht werden. Wobei jede dieser Techniken weitaus flexibler in der tatsächlichen Anwendung ist (gerade Spiegelmagie und die Kristallkugel), als es die expliziten Divinationswerkzeuge sind. Auf diese Methoden gehe ich also nicht weiter ein, sie würden den Rahmen sprengen.
Um eine brauchbare Divination zu erhalten, sind vor allem zwei Dinge notwendig. Einerseits muß der Ausübende mit dem Fragenden eine Frage herausarbeiten. Die Fragestellung entscheidet sehr stark mit, wie erfolgreich eine Divination sein kann. Der Prozeß der Fragefindung kann mitunter die Frage selbst lösen, wobei die folgende Divination nichts weiter als eine Bestätigung der Antwort ergeben wird. Ansonsten bringen die üblichen Ja/Nein Fragen nicht viel und sollten vermieden werden, außer natürlich bei sehr einfachen Divinationstechniken wie Pendeln oder Münzwurf. Der Orakelnde sollte als wichtige Voraussetzung ein Orakelsystem verinnerlicht haben. Leider ist es eher üblich, mit dem Handbuch daneben die Karten oder Runen zu legen oder zu werfen. Diese Situation ist ungefähr mit einem Touristen vergleichbar, der mit dem Wörterbuch in der Hand versucht, einen Chinesen über seine Alltagsgewohnheiten zu befragen. Das Verinnerlichen eines Orakelsystems erfordert eine Kenntnis des Orakelsystems, das der Orakelnde gebraucht.
Im Klartext: Bevor ich Tarotkarten lege, muß ich in der Lage sein, sämtliche Symboliken und alle Bedeutungen einer beliebigen Karte des Decks aus dem Handgelenk zu schütteln. Dies kann ich durch die Erstellung eines Exerzitiums erreichen, in dem ich, sagen wir, täglich eine Karte durcharbeite. Das Selbstherstellen eines Orakels ist natürlich zu bevorzugen, auch beim Tarot. Je mehr das System verinnerlicht ist, desto leichter fällt es den Geistern, sich durch das Orakel zu äußern. Sobald erst einmal das Alphabet (die einzelnen Karten) begriffen worden ist, wird es immer leichter fallen, komplexere Zusammenhänge zu deuten und zu erhalten. Ich vergleiche das auch gerne mit einer Art Blende. Je klarer die Bedeutungen und die einzelnen Zeichen des Orakels in meinem Innern verankert sind, desto leichter fällt es mir, ein richtiges Orakel zu erhalten, desto offener ist die Blende für den Informationsfluß. Dabei ist es übrigens absolut zweitrangig, womit orakelt wird. Jedes beliebige System kann in Benutzung sein, es kommt eher darauf an, das Symbolsystem, das gebraucht wird, zu verstehen. So ist es also egal, ob ich Runensteine, Karten, Kaffeesatz, Kokablätter, Tonkabohnen, Sandkörner, Vogelflug, Rabengekrächze oder Bananenschalen zum Orakel benutze, solange ich mir im Klaren über die einzelnen Bedeutungen bin und das Alphabet verinnerlicht habe. Dabei kann ich mir natürlich das Alphabet selbst zusammenstellen, wenn es sich um ein ausgefalleneres Orakel handelt.
Gelegentlich kommt bei mir eine Orakeltechnik zur Benutzung, die ich "Freistilorakel" nenne. Ich benutze dabei kein irgendwie geartetes Alphabet, wie es bei Tarotkarten, Runen und dergleichen in irgendeiner Form immer vorhanden ist, sondern interpretiere das Gesamtbild als solches. Dabei verwende ich ein wildes Sammelsurium von kleinen Gegenständen, die ich auf ein Tuch werfe. Dieser Weg ist vergleichbar mit einer schamanischen Reise in das durch Wurf erzeugte Gesamtbild. Durch meditatives Betrachten und freies Assoziieren erhalte ich dann recht brauchbare Ergebnisse. Diese Technik ähnelt in gewisser Weise der Kristallkugel- oder der Spiegelschau, bei der in der Kugel oder dem Spiegel Bilder gesehen werden, die dann Antworten bergen.
Es gibt im schamanischen Bereich mehrere Wege, ein Orakel zu erhalten. Mit der Fragestellung zum Krafttier oder Lehrer zu reisen ist noch die einfachste Methode. Ein weiterer Weg ist, mit der Fragestellung und einer Rassel bewaffnet in die Natur zu gehen. Die Verbündeten werden dann von mir gebeten, mich an einen Ort zu führen, an dem ich Antwort auf meine Frage erhalte. Am Ort bleibe ich dann stehen und schließe die Augen. Irgendwann höre ich auf mit dem Rasseln, weil meine Verbündeten es mir empfehlen, und öffne die Augen. Der erste Eindruck, egal ob optisch, akustisch, haptisch, olfaktorisch gilt als Antwort auf die Frage. Nun gilt es nur noch, den Sinn der Antwort richtig zu verstehen, wofür dann die schamanische Reise oder auch ein genaues Nachdenken über das Orakel ein möglicher Weg ist. Beispielsweise könnten Sie mit der Frage, wie sich die Beziehung zu ihren Partner entwickeln wird, in die Natur gehen. Sie rasseln erstmal, bis Sie an den Ort kommen, der Ihnen durch die Anweisungen der Geister gezeigt wird. Dort angekommen, schließen Sie die Augen und rasseln dabei weiter. Irgendwann bekommen Sie den Hinweis, die Augen zu öffnen - dann machen Sie die Augen auf, hören sofort mit dem Rasseln auf und sehen als ersten Eindruck, wie zwei Menschen, auf einem entfernteren Weg, sich begegnen und umarmen. Dies ist dann die Antwort. Sie müssen sie nur noch richtig deuten. Sie hätte auch mit allen anderen Sinnen stattfinden können - dies hier war nur ein Beispiel.
Das Steinorakel der Lakota ist ein weiterer Weg der Orakelfindung. Ein Stein wird (schamanisch) gesucht und eine Fragestellung erarbeitet. Nun betrachtet der Fragende den Stein, bis die Strukturen der Steinoberfläche ihm Tiere oder andere Gestalten enthüllt. Der Stein hat mehrere Seiten und kann auch viele verschiedene Gestalten beherbergen. Diese so gefundenen Bilder können dann in einer schamanischen Reise kontaktiert werden und zu der Fragestellung befragt werden. Nach dem erfolgten Orakel kann der Stein wieder an den Ort in der Natur zurückgebracht werden, an dem er gefunden wurde. Ein sehr schöner und spannender Weg ist die Visionssuche, in der sich der Schamane für längere Zeit in die Natur zurückzieht und durch Fasten und Schlafentzug in Trance fällt.
Bei Divinationen kommen auch negative oder nicht erstrebenswerte Ergebnisse zum Vorschein. Als Umgehensweise mit solchen Ergebnissen wird teils empfohlen, diese zu ignorieren oder umzukehren (im Falle der Tarotkarten). Es stellt sich hier heraus, ob der Fragesteller eine Person ist, die sich in der passiven Rolle des Opfers oder der aktiven Rolle eines Täters gefällt. Erstere Sorte tendiert bei solchen Auskünften, deprimiert zu reagieren und das Schicksal zu akzeptieren - man habe es ja nicht besser verdient. Die leider sehr viel seltenere zweite Sorte will sehr schnell wissen, was man denn dagegen unternehmen könnte. Die Zukunft ist nicht festgelegt und kann durch entsprechende Aktionen manipuliert werden. Die Vergangenheit übrigens auch. Kündigt sich ein negatives Ereignis durch Divination an, so bezieht sich diese ersehene Zukunft auf den status quo. Würde sich der Fragesteller nicht von seinem eingetretenen Pfad entfernen und so weiter machen wie bisher, so wird das Ereignis auch höchstwahrscheinlich eintreten. Wird versucht herauszufinden, warum ein Ereignis eintritt, wo die Ursache verborgen liegt, so kann ein diviniertes Ereignis abgewendet werden. Ich habe dies in einigen Fällen gleich während der Divination durchgeführt, indem ich das geworfene Orakel als magische Landkarte interpretierte und entsprechende Veränderungen durch aktive Umstellung durchführte. Es kann jede beliebige wirksame magische Vorgehensweise herangezogen werden. Dabei ist es oft einfacher, wenn der Fragesteller schlicht sein Verhalten in einigen Punkten überdenkt und verändert. Magische Einflußnahme ist selten notwendig.
Nicht eingetretene Divinationsergebnisse können andererseits auch ein Hinweis auf die Existenz von Parallelwahrscheinlichkeiten sein. Innerhalb von Remote Viewing Sitzungen werden wir immer wieder damit konfrontiert, daß Ereignisse manchmal buchstäblich "auf der Kippe" stehen. Je näher man zeitlich an den Punkt der Entscheidung kommt, desto eher wird auch das Ergebnis vorausgesagt, das eintritt. Immer wieder scheitern auch Sitzungen auf zukünftige Ereignisse, obwohl die Technik selbst dabei funktioniert hat. Wird die Zeitachse innerhalb einer RV-Sitzung aufgetragen, können solche Entscheidungspunkte aufgefunden und untersucht werden. Es scheint sogar determinierte Ereignisse zu geben, deren Ausgang nicht beeinflußt werden kann. An dieser Stelle würde es zu weit führen, alle Phänomene, Probleme und Erklärungsansätze zu besprechen, die im Zusammenhang mit Zukunftsprognosen auftauchen. Dazu verweise ich sie an Manfred Jelinskis Werk: "Schritte in die Zukunft".
Eine Divination mehrmals zur selben Frage zu bemühen sollte unterlassen werden. Es wird gelegentlich empfohlen, bei schlechten Voraussagen das Orakel einfach zu wiederholen. Meiner Erfahrung nach ist gerade das wiederholte Befragen zum selben Sachverhalt eine offene Mißtrauenserklärung gegenüber den Instanzen, die uns diese Auskünfte überhaupt zugänglich machen. Eine Verschlechterung der Divinationsergebnisse hinsichtlich der Treffergenauigkeit ist dann absehbar. Menschen, die wenig Vertrauen in ihre Divinationskünste haben, denn daraus resultieren letztlich diese wiederholten Fragen, ist es daher eher zu empfehlen, erst dann richtig mit Divination zu beginnen, wenn ein gutes Vertrauensverhältnis aufgebaut ist. Da Sie sich wahrscheinlich eher mit schamanischen Dingen beschäftigen, kann ich Ihnen empfehlen, zunächst für sich selbst zu arbeiten, den Kontakt zu Krafttieren und Lehrer zu festigen, viele schamanische Reisen zu machen, Tiertänze durchzuführen und ganz konkret die Geister darum zu bitten, ihr Vertrauen in deren Fähigkeiten zu stärken. Oft liegt es an den anerzogenen Zweifeln an der Existenz einer nichtgreifbaren Wirklichkeit. Diese Zweifel sind die Verbündeten oft gerne bereit zu zerstreuen, wenn Sie es nur wollen. Eine Wiederholung des Orakels zum Zwecke der Verifikation oder der genaueren Eingrenzung der Aussage kann in manchen Fällen durchgeführt werden. Gerade beim Runenorakel geschehen bei mir dann ziemlich eindeutige Bestätigungen oder Verfeinerungen der ersten Aussage.
Durch die Untersuchungen im Zusammenhang mit Remote Viewing wurden einige wichtige Gesetzmäßigkeiten bezüglich der Divination zukünftiger Ereignisse herausgefunden. Dabei beziehe ich mich zur Illustration auf den vorausgesagten Ausbruch des III. Weltkrieges, wie es Manfred Jelinski in seinem Buch "Tanz der Dimensionen" anschaulich machte. Weltuntergänge oder auch der III. Weltkrieg haben bis heute nicht stattgefunden, auch wenn sie bereits haufenweise prophezeit wurden - auch von Remote Viewern, die sicher in ihrer Technik sind. Das hängt mit der örtlichen Begrenztheit jedweder Divination und mit der eigenen Phantasie des Divinators zusammen.
Das interessanteste Ereignis, welches emotionell stark aufwühlt, wird in der Divinationstechnik herausgefunden. So werden in RV-Sitzungen Grundrisse oft nach der Stärke der emotionalen Wichtigkeit im Zusammenhang mit dem eigentlichen Thema der Sitzung verzerrt, ganz so, wie Kinder einen Lageplan zeichnen würden. Ein tatsächliches Beispiel: Viele Seher sahen den Ausbruch des III. Weltkrieges für das Jahr 1998 voraus. Er trat nicht ein. Im Fernsehen jedoch trat er ein. Das ZDF sendete am 1. Dezember 1998 eine Reportage mit dem Titel "Der Dritte Weltkrieg". Dieser Film erreichte viele Millionen Zuschauer und löste einen Sturm der Entrüstung aus. Selten beschäftigten Fernsehbeiträge das Publikum mehr. Der III. Weltkrieg trat zwar nicht in der Realität ein, löste aber als Titel einer Reportage eine Welle starker Emotionen aus. Große Propheten (auch die indianischen!) begehen immer denselben Fehler, mit Hilfe eigener Phantasie das erhaltene Gesicht zu extrapolieren und auf globale Ausmaße auszudehnen.
Das menschliche Gehirn benötigt exakt 2.9 Sekunden, um von einer Wahrnehmung zu einer komplexen Schlußfolgerung zu kommen. Diese Zeitspanne wird in den Visionen natürlich weit überschritten. Jelinski nennt eine Parallele aus der Filmpraxis: Eine Szene muß mindestens drei Sekunden stehen bleiben, damit sie voll erfaßbar wird. Die besten Divinationen finden also spontan statt. Im Schamanismus, wie ich ihn praktiziere, kenne ich ein Verfahren, Krafttiere zu erkennen. Dazu werden drei Personen benötigt - ein Mensch mit einer Trommel, der Schamane, der Proband. Der Schamane schaut ungezwungen in Richtung des Probanden, die Fragestellung lautet, welches Krafttier sein Gegenüber hat. Nach einem plötzlichen lauten Trommelschlag sagt der Schamane das erste Tier, das ihm in den Sinn kommt.
In meinem Trommelkreis führte ich Ende der 90er Jahre einmal eine Übung durch, um die Sachlage aus der schamanischen Praxis heraus zu demonstrieren. Ich besitze die eine oder andere Feder verschiedenster Greifvögel, darunter auch eine schöne Gänsegeierfeder. Die sieht einer Adlerfeder jedoch zum Verwechseln ähnlich, und es braucht schon einiges an Erfahrung in der Bestimmung von Federn, diesen Unterschied zu erkennen. Ich nahm diese Feder mit in den Trommelkreis und gab sie jedem Teilnehmer in die Hand. Sie sollten sich die Feder ansehen, mit dem darin wohnenden Tiergeist Kontakt aufnehmen und eine Reise zu dem Tiergeist unternehmen, um sein Aussehen zu beschreiben sowie Nahrungsgewohnheiten und eventuelle Details über die Lebensräume, und was der Tiergeist für eine Bedeutung und Symbolik hätte.
Ein Gänsegeier hat einen ähnlichen Lebensraum wie ein Adler, aber deutlich unterschiedliche Nahrungsgewohnheiten. Geier sind Aasfresser und Adler sind Beutegreifer. Geier besitzen einen recht kahlen Kopf, während ein Adlerkopf komplett gefiedert ist. Es gibt weitere deutliche Unterschiede, vor allem in den eher schamanischen Zusammenhängen. Geier haben eine vom Adler vollkommen verschiedene Symbolik und auch andere Eigenschaften. Als Zeitraum für die Reise veranschlagte ich die übliche Viertelstunde. Das nachdenklich Stimmende an dieser Übung war, daß sogar die alten Hasen unter uns sich von den optischen Eindrücken lenken ließen. Sie beschrieben sämtlichst einen Adler, wie er Beute jagt.
Als ich die Situation aufklärte, nicht ganz ohne eine gewisse Schadenfreude, waren alle etwas überrascht. Keiner konnte sich das erklären, bis ich fragte, was sie denn ganz am Anfang, als sie die Feder in der Hand hielten, gespürt oder gesehen hätten. Immerhin drei waren sich sicher, zuerst einen Geier gespürt zu haben, aber dann sich von ihrem Verstand und ihrer Erfahrung haben leiten lassen. Die gesamte Reise hindurch bemerkten sie diese Selbsttäuschung nicht. Mit Blick auf die schamanischen Reisen, die Sie durchführen, möchte ich damit klarmachen, daß Sie eine Reise möglichst wertfrei und ohne Vorurteile beginnen sollten, denn sonst riskieren Sie, die ganze Zeit sich selbst in die Irre zu führen, ohne es zu bemerken.
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