Die Tafeln des Golden Dawn Ordens
Die meisten Werke über henochische Magie, die in der heutigen Zeit veröffentlicht wurden, haben die magische Praxis des Golden Dawn als Grundlage. Die Quellen, die vom Golden Dawn Verwendung fanden, waren allerdings alles andere als vollständig und beinhalteten eigentlich nur die henochischen Schlüssel, das Sigillum Dei Æmeth, die große Tafel und die Siegel und Namen der 91 Genien. Aus diesem Material formten dann die Gründer des Ordens ein heute noch gebräuchliches magisches System, das allerdings nur auf der großen Tafel und den Rufen aufbaut. Alle anderen Elemente der Engelsmagie waren damals unbekannt, was bedauerlicherweise dazu geführt hat, daß heute ein unvollständiges und verzerrtes Bild der henochischen Magie vorhanden ist, jedenfalls hier im deutschsprachigen Einzugsgebiet. Viele Dinge, die Ihnen heute bekannt sein dürften, wenn Sie henochische Magie betreiben, sind so nicht von den Engeln in den Sitzungen gedacht gewesen oder überhaupt nicht überliefert worden. Hier kommt ein wesentliches magisches Gesetz zum Tragen: "Kraft folgt den Gedanken". Die heutige Form der henochischen Magie funktioniert, obwohl sie auf diese Weise nicht konzipiert war und der damaligen Praxis nicht entspricht. Ich betrachte die Ideen und Erweiterungen des Golden Dawn und den Nachfolgern in dieser Tradition durchaus als bereichernd für die henochische Magie und arbeite selbst gerne damit. Allerdings sind die Unterschiede zum Teil eklatant und Sie werden leicht nachvollziehen können, daß es dadurch zu zwei Strömungen in der praktischen henochischen Magie gekommen ist. In Deutschland ist die Strömung, die auf dem fragmentarischen System des Golden Dawns aufbaut, stark dominierend - was schlicht auch daran liegt, daß es bisher einfach keinerlei deutsche Publikation gibt, die diese Lücken hätte schließen können.
Es gibt einige Unterschiede, die sich bedauerlicherweise durch die mangelnde Kenntnis der henochischen Materialien der Magier im Golden Dawn Zweig der henochischen Magie eingeschlichen haben. Die Farbzuordnungen und Himmelsrichtungen zu den Elementen wurden von den Engeln eindeutig definiert: So liegt im Osten das Element Feuer mit seiner rubinroten Farbe. Im Süden ist das Element Luft in lilienweißer Farbe, im Westen das Element Wasser mit der grünen Farbe der Drachenschuppen und im Norden das Element Erde in blauschwarzer Farbe. Im Golden Dawn wurde diese Zuordnung ignoriert und stattdessen die folgende darüber gelegt, die durch die Farben der indischen Tapas bestimmt werden: Im Osten ist dort das Element Luft und die gelbe Farbe, im Süden das Element Feuer mit der roten Farbe, im Westen das Element Wasser in blau und im Norden das Element Erde mit schwarzer Farbe. Die Einführung der Elementarzuordnungen ist zweifellos eine Bereicherung der henochischen Magie und läßt eine Menge an Konsequenzen zu, die sich aus der Selbstähnlichkeit der Tafeln ergeben.
Im Golden Dawn System werden die einzelnen Quadranten immer getrennt voneinander betrachtet und nicht als Ganzes oder als Teil der großen Tafel. Anscheinend hatten die Gründer des Golden Dawn auch mehrere Varianten der großen Tafel, denn es finden sich in einigen Quadraten mehrere Buchstaben, die die Variationen zusammenfassen sollten und mehr oder weniger verschiedene Unterströmungen des jeweiligen Buchstabenquadrates darstellen, nach moderner Interpretation. Die einzelnen Quadranten wurden den Elementen zugeordnet - eine innovative Erweiterung, die letztlich nicht explizit ausgeführt wurde in der überlieferten henochischen Magie.
Das allerdings impliziert eine andere Interpretation der in den Quadranten vorhandenen Engelsnamen und ihren Fähigkeiten. Während in der ursprünglichen Form der Engelsmagie die Quadranten den Himmelsrichtungen zugeordnet sind und die Engel mit ihren Einflußmöglichkeiten auf die jeweilige Region eingegrenzt sind - also ein Engel des östlichen Quadranten wird nur im Osten agieren können und nicht im Süden, Westen oder Norden - haben die Engel im System des Golden Dawn keinerlei derartige Begrenzungen. Ihre Fähigkeiten und ämter werden im ursprünglichen System durch die Unterquadranten übergreifend definiert, also ein Engel des nördlichen Unterquadranten besitzt in allen drei Quadranten dieselben Funktionen und Fähigkeiten. Im Golden Dawn System determiniert das Element des Quadranten und die Unterlemente darin die Funktionen und Fähigkeiten des jeweiligen Engels, der dort ein Elementargeist ist und kein Engel und er kann überall auf der Welt agieren.
Am deutlichsten kommt der Unterschied zwischen der überlieferten und der modernen Fassung der henochischen Magie in der großen Tafel zum Vorschein. Ich selber sehe diesen ganzen Komplex als eine andere Schicht der Interpretation der henochischen Magie an und habe auch lange Zeit mit diesem System gearbeitet. Neben der Elementarzuordnung der einzelnen Quadranten werden die Unterquadranten der einzelnen Wachttürme ebenso den Elementen zugeordnet. Die Tafel der Vereinigung selbst entspricht dem Element "Geist", welches das geheime fünfte Element der klassischen Elementarlehre ist. Auf diese Weise kann man jedem Buchstaben in den Tafeln insgesamt vier verschiedene Elemente zuordnen, die logisch durchpermutiert werden.
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